Wider die Bilderflut

Wir alle machen uns in Sekundenbruchteilen von den Menschen, denen wir gerade zum ersten Mal begegnen, ein Bild. Dabei spielen die unterschiedlichsten Faktoren eine Rolle. Den unmittelbarsten Eindruck vermittelt uns dabei jedoch der Blick auf den Körper des Anderen. Das Bild des Körpers gibt Auskunft über Schönheitsideale, Ernährungsgewohnheiten, Krankheit, Alter etc. Der Körper und die Art, wie er zur Schau und in den Raum gestellt wird - schamhaft, nachlässig, agressiv, besitzergreifend... - macht uns blitzartig deutlich, mit wem wir es zu tun haben. Mit der Erfassung des Körpers machen wir uns ein Bild von der Psyche des Anderen.

Die in einer medialen Bilderflut in den Printmedien und Internet abgebildeten Personen entziehen sich zumeist einer solchen Betrachtungsweise. Präsentiert werden in künstlich geschaffenen Räumen und Lichtverhältnissen gestylte Körper, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Der so abgebildete Mensch ist in seiner wirklichen, psychischen und physischen Befindlichkeit nicht erfaßbar, sondern bleibt hinter der glatten Oberfläche der Fotografie verborgen.

Das gemalte Bild holt ihn aus dieser Anonymität heraus, bringt seine Eigenheit zum Ausdruck und verschafft ihm bildnerischen Raum. Es entsteht im malerischen Prozeß das Seelenbild eines Menschen.
Caro Bertram, München, 2016